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In unerwarteten Momenten wartet das Glück auf uns

Laufend sind wir von Glückschancen umgeben, erkennen sie bloß häufig nicht. Diese These vertritt Prof. Dr. Christian Busch. Er meint: Es liegt an uns, aktiv auf das Glück zuzugehen. Im Interview erläutert er, was es mit Serendipität auf sich hat – und wie wir trainieren können, Chancen erfolgreicher beim Schopfe zu packen.

Herr Prof. Busch, was verbirgt sich hinter dem Begriff der Serendipität?

Prof. Busch: Im Gegenzug zum Zufallsglück bezeichnet Serendipität das aktive Glück: Dabei geht es im Kern darum, wie wir mit zufälligen Situationen umgehen und wie wir in unerwarteten Momenten interagieren. Beispiel: In einem Café stoßen Sie Ihre Tasse um und Ihr Sitznachbar oder Ihre Sitznachbarin schaut Sie zunächst böse an. Doch Sie spüren, dass da noch mehr ist. Sie suchen aktiv das Gespräch – und lernen durch diesen Zufall womöglich die Liebe Ihres Lebens kennen.

Bedeutet dies im Umkehrschluss, dass wir viele positive Zufallsmomente in unserem Leben schlichtweg verpassen?

Prof. Busch: Genau! Wir Menschen sind zwar sehr gut darin, uns gegen das negativ Unerwartbare zu wappnen – Beispiel: Beim Überqueren einer grünen Fußgängerampel schauen wir immer noch einmal nach links und rechts, falls doch noch ein Auto heranbrausen sollte. Doch beim positiv Unerwartbaren entgehen uns viele dieser Momente, weil wir nicht genug darauf trainiert sind, diese Momente wahrzunehmen und aktiv zu handeln.

Hat das etwas mit „Glückspilzen“ und „Pechvögeln“ zu tun – haben manche Menschen womöglich eine feinere Antenne für das Zufallsglück als andere?

Prof. Busch: Der Eindruck drängt sich durchaus auf. Keine Frage, manche Menschen haben einfach unheimlich viel Glück, ohne dass sie dies unbedingt verdient hätten. Aus diesem Umstand resultiert letzthin soziale Ungerechtigkeit, zum Beispiel wenn jemand schnell im Beruf aufsteigt. Denn diese Menschen haben oft auch im Anschluss immer wieder Glück – Reiche werden häufig immer reicher. Andere Menschen haben im Gegenzug wiederum Unglück, ohne das Geringste dafür zu können.

Andererseits lässt sich bei erfolgreichen Menschen bisweilen feststellen, dass sie unheimlich gut darin sind, den Muskel für das Unerwartbare zu trainieren und ihre Wahrnehmung dahingehend zu schärfen. Glückspilze zeichnen sich dadurch aus, dass sie eher in der Lage sind, mögliche positive Zufälle zu erkennen. Experimente zeigen, dass es sich dabei um eine Fähigkeit handelt, die man sich aneignen und üben kann. Dazu trägt es bei, einfach die Augen offen zu halten und das aktive Glück zu erkennen, wenn wir ihm zufällig begegnen.

„Think positive“ – reicht das also als Lebensmotto aus?

Prof. Busch: Die Idee „Sei einfach positiv und es wird alles gut werden“ greift meines Erachtens zu kurz. Ab und an ist das Leben einfach hart und ungerecht. Wir alle müssen lernen, mit dieser Härte des Lebens umzugehen. Inspirierend finde ich dabei den Ansatz des Psychiaters Viktor Frankl, der uns ermutigt, auch in schweren Momenten noch den Sinn zu suchen.

Wie können wir unsere Antenne für Serendipität trainieren?

Prof. Busch: Im Wesentlichen geht es darum, die eigene Wahrnehmung zu verändern und offener durch die Welt zu gehen. Dabei können uns Praktiken wie die Hakenstrategie unterstützen, um zum Beispiel in der Kommunikation mit einem unbekannten Menschen dazu beizutragen, dass mehr positiv Unerwartbares passiert. Das ist möglich, indem wir im Gespräch nach möglichen Gemeinsamkeiten suchen – wir werfen Haken ins Wasser und schauen, ob der Zufall anbeißt. Gerade auch für eher introvertierte Menschen kann das ein sehr guter Weg sein, um mehr positive Zufallsmomente zu schaffen. Dies können wir selbst aktiv triggern – indem wir im Alltag immer mehr Haken einsetzen und so die Wahrscheinlichkeit für Serendipität steigern.

Was fasziniert Sie so an diesem Prinzip?

Prof. Busch: Ich finde es ungemein spannend, wie wir uns so ein Stück Einfluss und Macht über das eigene Leben zurückholen können. So wie viele andere Menschen in Deutschland liebe ich es auch, Gewissheit zu haben. Doch absolute Planbarkeit für uns Leben gibt es nicht. Statt um Gewissheit sollte es viel mehr um Klarheit gehen: klar zu sein, was die persönlichen Prioritäten und die eigenen Werte angeht. Dazu gehört es, uns auf die Dinge zu konzentrieren, die wir wirklich beeinflussen können – und andere Dinge im Leben einfach so anzunehmen, wie sie sind.

Wie können Unternehmen den Erfolgsfaktor Zufall für sich nutzen?

Prof. Busch: Dafür braucht es Führungskräfte, die Zufälle zulassen und im Idealfall sogar aktiv in die Unternehmensstrategie einbauen – ohne das Gefühl zu haben, damit als Chef die eigene Autorität zu verlieren. Das kann ganz einfach anfangen, zum Beispiel indem man einmal pro Woche in seinem Team fragt: „Was hat euch in der letzten Woche am meisten überrascht?“ So sind aus Zufall schon viele gute Ideen für neue Produkte entstanden.

Zum Schluss: Was macht Sie persönlich glücklich?

Prof. Busch: Definitiv am allermeisten meine Frau und meine zweieinhalbjährige Tochter. Mich macht es immer wieder glücklich, dass ich das wissenschaftliche Thema, das ich so spannend finde, in meiner Frau wiedererkennen kann. Denn sie verkörpert zu 100 Prozent das offene Mindset, das es für Serendipität braucht: Sie ist zwar nicht in jeder Situation die optimistischste Person – aber immer offen für das positiv Unerwartbare.

Zur Person

Christian Busch, geboren in Bergisch-Gladbach und aufgewachsen in Heidelberg, lehrt an der USC Marshall School of Business (Los Angeles) und an der London School of Economics (LSE). Er ist Buchautor („Erfolgsfaktor Zufall“), regelmäßiger Redner auf Konferenzen wie dem Weltwirtschaftsforum (WEF) und TEDx. Prof. Busch ist Mitglied des WEF-Expertenforums, Ehrenmitglied der Royal Society of Arts und steht auf der Thinkers50-Radar-Liste der 30 Denker, die „die Zukunft am ehesten gestalten werden“.

Über den Kolumnenautor

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Oliver Schönfeld

Was ist eigentlich Glück? Ist es ein subjektives Gefühl oder lässt sich Glück objektiv messen? Hat Glück etwas mit Geld zu tun, zum Beispiel mit einem Lotteriegewinn? Denken Menschen in anderen Ländern ähnlich? Dieser und ähnlichen Fragen geht der Kolumnist Oliver Schönfeld jede Woche an dieser Stelle nach. Dabei nimmt er auch die Eurojackpot-Welt unter die Lupe und berichtet hautnah über aktuelle Themen, Trends und Kuriositäten.

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Axel Weber

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